![Abb.1: Mieterinnenbuch Hausschwangere Berliner Klinik (ca. 1945-1977), [Originalquelle; privater Fundus]. Berlin](/fileadmin/_processed_/1/a/csm_Mietermeldebuch_Hausschwangere_3dd0325f19.jpg)
Erfahrungen mit Geburt – Einflüsse des Lehren und Lernen „mit“/ „an“ sogenannten „Hausschwangeren“ im 20. JH
Sie befinden sich hier:
Erfahrungen mit Geburt – Einflüsse des Lehren und Lernen „mit“/ „an“ sogenannten „Hausschwangeren“ im 20. JH
Mit der euphemistischen Bezeichnung "Hausschwangere" wurden bis in die späten 1970er Jahre Frauen bezeichnet, die mittellos waren und in einer Frauenklinik als Gegenleistung für Kost und Logis Hilfsdienste zu verrichten hatten bzw. als Demonstrations- und Untersuchungsobjekte für Forschung und Lehre, zur Verfügung stehen mussten Diese Praxis war in Deutschland weit verbreitet und prägte die Ausbildung von Geburtshelfer:innen (Hebammen und Ärzt:innen) über einen Zeitraum von etwa zwei Jahrhunderten (1770-1980) (Schwittai, 2012; Stoeckel, 1966).
Es ist davon auszugehen, dass der Einsatz des Körpers der „Hausschwangeren“ als direktes Lehr- und Lernmittel die geburtshilfliche Kultur und insbesondere die Interaktionen zwischen Gebärenden und Fachpersonal beeinflusst hat.
Im Zentrum eines Kooperationsprojekts mit dem Institut für Medizingeschichte der Charité (Prof. Nemec) steht zunächst eine Annäherung an dieses Kapitel der Geschichte der Geburtshilfe. Interviews mit Zeitzeug:innen und die Analyse historischer Dokumente aus den Archiven der Charité sollen dazu beitragen, die Bedingungen und Auswirkungen des Einsatzes von Hauschwangeren in der geburtshilflichen Lehre zu verstehen.
Im zweiten Schritte soll erforscht werden, ob und in welchem Ausmaß die durch soziale Gewalt und Hierarchie geprägten Beziehungen und Interaktionen zwischen ‚Hausschwangeren und den Lehr – und Lernenden die Sozialisation von Fachpersonal beeinflusst (hat) und auch weiterhin in die aktuelle geburtshilfliche Praxis wirkt.
Zentrales Anliegen des Projekt ist es, zu ergründen, welches Potential die Aufarbeitung der Geschichte der sogenannten „Hausschwangeren“ für die die Förderung von respektvollen geburtshilflichen Praktiken und damit für die Verbesserung der Qualität in der geburtshilflichen Versorgung haben kann.
Ein Workshop zum Thema Schwangere im klinischen Blick wird im Rahmen des Forschungsprojekts am 6. und 7. September im Medizinhistorischen Museum der Charité stattfinden. In der geplanten Veranstaltung streben wir eine multiperspektivische Betrachtung an, welche sowohl eine retrospektive Analyse der Situation der sogenannten "Hausschwangeren" als auch eine Diskussion der gegenwärtigen Bedingungen in der geburtshilflichen Versorgung umfasst. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Erörterung zukünftiger Konzepte für eine respektvolle Geburtshilfe.
Literatur
Schwittai, Y. (2012). Zur Geschichte der Frauenkliniken der Charité in Berlin von 1710 bis 1989 unter besonderer Berücksichtigung baulicher und struktureller Entwicklung. (Dissertation). Charité Berlin.
Stoeckel, W. (1966). Erinnerungen eines Frauenarztes (S. 522). Kindler Verlag.